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Zusätzliche Berufsorientierung zahlt sich aus

Wenn die pädagogische Beziehungsarbeit nicht funktioniert, dann können fachliche Inhalte schwer vermittelt werden. Das hat Burkhard Puwalla in seiner Zeit als Entwicklungshelfer in Brasilien gelernt. Mit den interkulturellen Erfahrungen im Gepäck ist er nach Deutschland zurückgekehrt und wirkt heute als Lehrer an der Hemingway-Schule, einer integrierten Sekundarschule in Berlin-Mitte. Dort unterrichtet er junge Menschen, die Erfahrungen aus 25 verschiedenen Kulturkreisen mitbringen, in Informatik und Wirtschaft, Arbeit und Technik (WAT).

Die Erfolge der Hemingway-Schüler:innen beim Übergang von der Schule in den Beruf schwanken von Schuljahr zu Schuljahr. Daher hat Puwalla gemeinsam mit BQN vor drei Jahren anstatt einer Schülerarbeitsstunde eine eigene WAT-Klasse initiiert – im Rahmen des Berlin braucht dich! Pilotvorhabens „Erprobung neuer Zugänge in die Ausbildung“. Seine Erfahrungen bei der Initiierung und Umsetzung des Formats teilte er bei einem Transfer-Workshop am 23. Oktober mit BO-Lehrer:innen aus acht integrierten Berliner Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen. Sie wollen das Konzept vielleicht an ihrer Schule übernehmen.

Ausgewählte Zehntklässler:innen werden in dem WAT-Kurs, zusätzlich zum regulären WAT-Unterricht, einmal pro Woche 45 Minuten lang auf eine Ausbildung vorbereitet. Die Auswahl der Schüler:innen erfolgt folgendermaßen: Mittels eines eigens entwickelten Rasters selektiert die Schule nach Kriterien wie unentschuldigte Fehlzeiten, Lern- und Leistungsbereitschaft, Arbeits- und Sozialverhalten, Berufswunsch und Abschlussprognose. So ergibt sich meist eine Gruppengröße von 16 bis 20 Jugendlichen. „Einige Schüler:innen fallen auch durch das Raster“, gibt Puwalla zu. Das ist speziell dann der Fall, wenn bei ihnen vom Übergang in die gymnasiale Oberstufe ausgegangen wird. Bei Interesse an einer beruflichen Ausbildung werden aber auch sie nachträglich in die Gruppe aufgenommen. Uneins waren sich die Teilnehmenden, ob es sich lohnt für jene, die durch das „Raster“ fallen und besonderen Unterstützungsbedarf benötigen, ein spezielles Format anzubieten oder ob die Erfolgsaussichten letztlich zu gering sind.

„Viele 16-Jährige haben erstmal Angst vor der Arbeitswelt, da sie nicht wissen, was auf sie zukommt. In dem WAT-Kurs versuchen wir ihnen die Angst zu nehmen und ihr Selbstvertrauen aufzubauen. Das brauchen sie, um sich selbst im Bewerbungsgespräch verkaufen zu können“, sagt Sharon Orias von BQN, die gemeinsam mit Puwalla den Kurs unterrichtet. Gleichzeitig lernen sie durch spielerische Perspektivwechsel die Erwartungshaltungen von Betrieben kennen und setzen sich mit ihren beruflichen Zielen auseinander. Auch das Üben von Einstellungstests ist wichtig. Verzahnt wird der Kurs mit anderen Berlin braucht dich! Angeboten, wie den Clubs, den betriebsübergreifenden Bewerbungstagen sowie den Berlin braucht dich! Praktika.
Das Format kommt bei den Schüler:innen sehr gut an. Insbesondere auch deswegen, weil eine externe Person mit familiärer Einwanderungsgeschichte und abgeschlossener dualer Ausbildung unterrichtet. Da fällt es vielen leichter, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Die Teilnahme am WAT-Kurs wird an der Schule als Privileg verkauft. Vom Lehrerkollegium wird das Angebot nach anfänglicher Skepsis unterstützt, da viel mehr Jugendliche, die daran teilgenommen haben, im Anschluss gewillt sind eine Ausbildung zu machen. „Die Zahl der Kursteilnehmer:innen, die letztlich in eine Ausbildung einmünden, schwankt von Jahr zu Jahr. Im letzten Jahr waren es fünf von sechszehn Schüler:innen, doch viele haben sich leistungsmäßig so gesteigert, dass sie eine Empfehlung für die gymnasiale Oberstufe erhalten haben. Das ist auch ein Erfolg“, bekräftigt Orias.
Durch die Anregungen von Puwalla entwickelten die Lehrer:innen auch neue Ideen, das WAT-Format weiter auszubauen. Jetzt muss der Wissenstransfer nur noch in die Praxis übertragen werden: Der Bedarf bei den anderen integrierten Sekundarschulen ist da, ein solches oder ähnliches Format, das die Vorbereitung auf die duale Ausbildung effektiv stärkt, anzubieten. Einige Hürden, wie die Abstimmung mit dem Stundenplan und der personelle Einsatz, seien vorher allerdings noch abzubauen.